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Was ist für mich eine 'Starke Frau'? Oder braucht die Welt nicht etwas ganz anderes?

karinpfisterer

Aktualisiert: 26. Feb.

Wer bestimmt, was oder wer eine 'Starke Frau' ist? Dafür gibt es keine Definition, die im Duden steht. Die Antwort kann auch für jeden einzelnen etwas anders aussehen.

Darf und soll eine Frau überhaupt stark sein?

Stark wird landläufig oft gleichgesetzt mit vehement, gewaltig, heftig, hart. Im Gegensatz dazu fallen mir weitere Bedeutungen ein, die positiv für mich besetzt sind: belastbar, intensiv, kraftvoll, resistent, wirksam, sehr gut, exzellent, wunderbar, eindrucksvoll .... Also, sehr gerne bitte mehr davon!


Was ist für mich eine 'Starke Frau'?

Eine starke Frau ist für mich eine Frau, die mitten im Leben steht, ihrem Weg beziehungsweise ihrer Berufung folgt, sichtbar und mutig ist, mit Widrigkeiten umgehen muss, manchmal Umwege macht und trotzdem weitergeht. Nicht rücksichtslos um jeden Preis, wie es in der Männerwelt so oft üblich zu sein scheint. Sie hat Vertrauen in sich selbst und ihre Fähigkeiten, ist ausdauernd, empathisch und unterstützt andere. Auch sie zweifelt manchmal, ist sich unsicher, hinterfragt sich - das ist nur allzu menschlich.


Wer ist für mich eine 'Starke Frau'?

Dazu fällt mir zum Beispiel Dorothea Christiane Erxleben, geb. Leporin, ein. Sie war die erste promovierte Ärztin im deutschen Sprachraum und das zu einer Zeit, als die Universität für Frauen noch gar nicht zugänglich war. Sie lebte von 1715-1762 in Quedlinburg. Dorothea, Tochter eines Arztes, hatte einen Traum: Auch sie wollte Ärztin werden. Sie war einfallsreich und mutig genug, um dafür ungewöhnliche Schritte zu wagen. Sie traute sich, einen Brief an den damaligen König von Preußen, Friedrich den Großen, zu schreiben. Es war zwar unsicher, ob er ihn jemals lesen würde, sie verfasste ihn trotzdem. Sie bat darin um das königliche Privilieg, zusammen mit ihrem Bruder Christian, in Halle Medizin studieren zu dürfen. Ihr Mut wurde belohnt, sie wurde tatsächlich vom König außer der Reihe zum Studium zugelassen. (Das offizielle Frauenstudium war in Deutschland erst ab 1899/1900 möglich.) Allerdings nahm die Geschichte noch einige Wendungen, denn wie man so schön sagt, kam auch bei Dorothea 'das Leben dazwischen'. Ihr Bruder, der für das Studium vom Militärdienst befreit war, desertierte, als ein Krieg ausbrach. Somit gab es für sie keine Möglichkeit mit ihm zusammen die Universität zu besuchen. Und alleine? Als junge Frau in dieser Zeit undenkbar. Bald darauf heiratete sie den Witwer ihrer verstorbenen Cousine, wurde Pfarrersfrau und zog insgesamt 9 Kinder groß (davon 4 gemeinsame). Eines Tages aber wurde sie vor die Entscheidung gestellt: Sollte sie ihren Traum endlich begraben oder ihn doch noch verwirklichen? Der Zeitpunkt war zwar denkbar ungünstig, dennoch packte sie die Gelegenheit beim Schopfe und bereitete sich in einer Art Fernstudium auf die Prüfung vor und schrieb ihre Dissertation. Wir können uns kaum vorstellen, wieviel Zeit und Mühe es sie gekostet haben musste, dies zu tun. Wie viele Abende und Nächte sie bei Kerzenschein gesessen haben musste, lesend, lernend und schreibend.

Im Mai 1754 ist es endlich soweit. Aufgeregt fährt sie mit der Postkutsche nach Halle, übernachtet in einer Kammer bei ihrem ältesten Stiefsohn, der in der Zwischenzeit bereits dort Theologie studiert. Am nächsten Tag geht sie zur Universität, sucht die Räumlichkeiten des Prüfungsschausschusses der medizinischen Fakultät auf, der natürlich, wie kann es anders sein zu jener Zeit, nur aus Männern besteht. Die Herren Professoren waren bestimmt nicht sonderlich begeistert, eine Frau zu prüfen. Vielleicht aber waren sie doch ein wenig neugierig, wer es wagte, hier anzutreten, noch dazu mit einem königlichen Privileg. Kurz und gut, die Sache endet erfolgreich für sie. Dorothea legt an der Universität Halle die erforderlichen Examina ab und verteidigt ihre Doktorarbeit. Sie praktiziert noch einige Jahre in Quedlinburg und hat viele weibliche Patientinnen, darunter auch die Äbtissin des Klosters.

Für mich eine starke Frau!



"Frauen, die nichts fordern,
werden beim Wort genommen:
Sie bekommen nichts!"
Simone de Beauvoir (1908-1986)
Franz. Schriftstellerin, Philosophin, Feministin

Eine starke Forderung einer starken Frau. Heute so wichtig wie damals.

Vieles, was wir im Europa des 21. Jahrhundert als selbstverständlich ansehen, verdanken wir starken Frauen. Auch den §3 unseres Grundgesetzes von 1949: MÄNNER UND FRAUEN SIND GLEICHBERECHTIGT. Wo stünden wir heute ohne die Beharrlichkeit der 4 Frauen, die zusammen mit 61 Männern im Parlamentarischen Rat waren, und vehement für diesen Satz kämpften.

Im Hinblick auf zunehmenden Populismus und Frauenfeindlichkeit weltweit, ist es unerlässlich, weiterhin Forderungen zu stellen und nicht damit nachzulassen.




Karin Pfisterer

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