Was ist für mich eine 'Starke Frau'?
- karinpfisterer
- 19. Feb.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Juli
Was bedeutet Stärke heute – besonders für Frauen? Wer bestimmt, was oder wer eine 'Starke Frau' ist? Dafür gibt es keine Definition, die im Duden steht. Die Antwort kann auch für jeden einzelnen etwas anders aussehen. Ich habe lange darüber nachgedacht – nicht nur, weil diese Frage immer wieder in Diskussionen auftaucht, sondern auch, weil ich sie mir selbst stelle. Stärke hat viele Gesichter. Nicht alle davon sind laut.
In diesem Beitrag erzähle ich, was Stärke für mich bedeutet – und stelle eine Frau vor, die für mich genau das verkörpert.
Darf ich als Frau stark sein? Eine Frage, die wir uns nie stellen sollten
Ist dir schon mal aufgefallen, dass wir diese Frage überhaupt stellen? Männer fragen nicht: "Darf ich als Mann stark sein?" Sie sind es einfach. Wir Frauen aber haben gelernt, unsere Stärke zu hinterfragen, zu entschuldigen, zu verstecken.
Als wäre Stärke ein Privileg, das wir erst verdienen müssen. Spoiler: Ist es nicht.
Stark wird landläufig oft gleichgesetzt mit vehement, gewaltig, heftig, hart. Im Gegensatz dazu fallen mir weitere Bedeutungen ein, die positiv für mich besetzt sind: belastbar, intensiv, kraftvoll, resistent, wirksam, sehr gut, exzellent, wunderbar, eindrucksvoll .... Also, sehr gerne bitte mehr davon!
Stärke und Weiblichkeit sind keine Gegensätze. Du kannst rosa tragen und trotzdem knallhart verhandeln. Du kannst weinen und trotzdem unerschütterlich sein. Du kannst fürsorglich und trotzdem durchsetzungsstark sein.
Was ist für mich eine 'Starke Frau'?
Eine starke Frau ist für mich eine Frau, die mitten im Leben steht, ihrem Weg beziehungsweise ihrer Berufung folgt, sichtbar und mutig ist, mit Widrigkeiten umgehen muss, manchmal Umwege macht und trotzdem weitergeht. Nicht rücksichtslos um jeden Preis, wie es in der Männerwelt so oft üblich zu sein scheint. Sie hat Vertrauen in sich selbst und ihre Fähigkeiten, ist ausdauernd, empathisch und unterstützt andere. Auch sie zweifelt manchmal, ist unsicher, hinterfragt sich - das ist nur allzu menschlich.
Wer ist für mich eine 'Starke Frau'?
Eine Frau, die für mich alles verkörpert, was wahre Stärke bedeutet, lebte bereits vor 300 Jahren: Dorothea Christiane Erxleben, geb. Leporin, ein. Sie war die erste promovierte Ärztin im deutschen Sprachraum und das zu einer Zeit, als die Universität für Frauen noch gar nicht zugänglich war. Sie lebte von 1715-1762 in Quedlinburg. Dorothea, Tochter eines Arztes, hatte einen Traum: Auch sie wollte Ärztin werden. Sie war einfallsreich und mutig genug, um dafür ungewöhnliche Schritte zu wagen.
Sie traute sich, einen Brief an den damaligen König von Preußen, Friedrich den Großen, zu schreiben. Ob er ihn je lesen würde, war ungewiss – aber sie schrieb ihn trotzdem. Sie bat darin um das königliche Privileg, zusammen mit ihrem Bruder Christian, in Halle Medizin studieren zu dürfen. Ihr Mut wurde belohnt, sie wurde tatsächlich vom König außer der Reihe zum Studium zugelassen. (Das offizielle Frauenstudium war in Deutschland erst ab 1899/1900 möglich.)
Allerdings nahm die Geschichte noch einige Wendungen, denn wie man so schön sagt, kam auch bei Dorothea 'das Leben dazwischen'. Ihr Bruder, der für das Studium vom Militärdienst befreit war, desertierte, als ein Krieg ausbrach. Somit gab es für sie keine Möglichkeit mit ihm zusammen die Universität zu besuchen. Und alleine? Als junge Frau in dieser Zeit undenkbar. Bald darauf heiratete sie den Witwer ihrer verstorbenen Cousine, wurde Pfarrersfrau und zog insgesamt 9 Kinder groß (davon 4 gemeinsame). Eines Tages aber wurde sie vor die Entscheidung gestellt: Sollte sie ihren Traum endlich begraben oder ihn doch noch verwirklichen?
Der Zeitpunkt war zwar denkbar ungünstig, dennoch packte sie die Gelegenheit beim Schopfe und bereitete sich in einer Art Fernstudium auf die Prüfung vor und schrieb ihre Dissertation. Wir können uns kaum vorstellen, wieviel Zeit und Mühe es sie gekostet haben musste, dies zu tun. Wie viele Abende und Nächte sie bei Kerzenschein gesessen haben musste, lesend, lernend und schreibend.
Mai 1754. Dorothea steht vor der Universität Halle.
Ihre Hände zittern. Nach 20 Jahren Warten ist es soweit. Sie betritt das Gebäude – die einzige Frau weit und breit. Die Professoren starren sie an. "Was will die denn hier?"
Stell dir diesen Moment vor: Ein Raum voller Männer, die nicht glauben können, dass eine Frau es wagt, hier zu sein. Dorothea aber lächelt höflich, legt ihre Papiere auf den Tisch und sagt ruhig: "Ich bin bereit für die Prüfung."
Das ist Stärke. Nicht laut, nicht aggressiv – aber unerschütterlich.
Kurz und gut, die Sache endet glücklicherweise erfolgreich für sie. Dorothea legt an der Universität Halle die erforderlichen Examina ab und verteidigt ihre Doktorarbeit. Sie praktiziert noch einige Jahre in Quedlinburg und hat viele weibliche Patientinnen, darunter auch die Äbtissin des Klosters. Für mich eine starke Frau!
💭 KURZE REFLEXION:
- Welche deiner Eigenschaften macht dich stark?
- Wann hast du das letzte Mal mutig gehandelt?
- Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?
Warum Fordern weiblich ist!
"Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen:
Sie bekommen nichts!"
Simone de Beauvoir (1908-1986)
Franz. Schriftstellerin, Philosophin, Feministin
Dieser Satz trifft mich jedes Mal wie ein Blitz. Wann hast du das letzte Mal etwas gefordert? Nicht gebeten, nicht gehofft – gefordert.
📣 Die Gehaltserhöhung, die du verdienst?
📣 Die Hilfe im Haushalt, die dir zusteht?
📣 Die Anerkennung für deine Leistung?
📣 Die Zeit für dich, die du brauchst?
Simones Worte sind heute wichtiger denn je. Denn fordern ist nicht unweiblich – es ist stark.
Was wir starken Frauen verdanken (und oft vergessen)
Du stehst morgens auf, gehst arbeiten, hast ein eigenes Bankkonto, triffst eigene Entscheidungen. Normal, oder? Falsch. Das ist ein Privileg, das Frauen vor uns erkämpft haben.
Dieser eine Satz in unserem Grundgesetz – "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" – war nicht selbstverständlich. Vier Frauen saßen 1949 zwischen 61 Männern im Parlamentarischen Rat. Vier! Und sie kämpften wie Löwinnen für diese Worte.
Stell dir vor, sie hätten aufgegeben. Stell dir vor, sie hätten gedacht: "Ach, ist doch eh aussichtslos." Wo würden wir heute stehen?
Was bedeutet das für dich und mich heute?
Dorothea musste einen Brief an den König schreiben. Du musst vielleicht nur "Nein" zu einem Gefallen sagen, um Zeit für dich zu haben. Beides braucht Mut. Beides macht dich zu einer starken Frau.
In einer Welt, die uns täglich einredet, wir seien nicht genug – nicht jung genug, nicht erfolgreich genug, nicht perfekt genug – ist es ein Akt der Rebellion, sich selbst als stark zu sehen.
Meine Frage an dich: Wer ist für dich eine starke Frau? Eine historische Persönlichkeit? Eine Freundin? Vielleicht sogar du selbst?
Schreib es in die Kommentare – ich bin schon sehr gespannt auf deine starken Frauen! 💪
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Karin Pfisterer
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